Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz

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Via Crucis – Der Kreuzweg

Von Peter Simonett

Mater Dolorosa, Berlin-Lankwitz, 17. April 2011, 17 Uhr

Franz Liszt, Via Crucis – Der Kreuzweg - 14 Betrachtungen für Soli, Chor und Orgel

Welf-Eckhart Wiencke, Bariton – Chor von Mater Dolorosa – Peter Simonett, Orgel

Seit Jahrhunderten ist die Betrachtung der Kreuzwegstationen ein frommer Brauch. Etwa seit 1600 hat sich die Zahl der 14 Stationen durchgesetzt, vor denen in der Fastenzeit die Kreuzwegandachten gehalten werden.

Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen, hat nicht nur virtuose Klaviermusik und Orchesterwerke komponiert, er hat auch bedeutende Kirchenmusik hinterlassen. Bei uns in Mater Dolorosa gehört seine wertvolle Missa choralis für Chor und Orgel zum Repertoire. Seine musikalischen Kreuzwegbetrachtungen von 1878 stehen aber einigermaßen isoliert da, erst im 20. Jahrhundert haben sich weitere Komponisten dieses Stoffes angenommen.

Liszt war – so bewegt und für manchen auch anstößig sein Leben war – nicht nur ein religiöser, sondern ein wirklich frommer Mensch. Zu der Kreuzweg-Komposition ist er in Rom durch das Beten des Kreuzweges am Karfreitag im Colosseum angeregt worden. Er hat sogar überlegt, ob man für eine angemessene Musik ein riesiges Harmonium bauen könnte. Die Komposition wurde dann aber doch für die Gegebenheiten in der Kirche mit einer Orgel ausgearbeitet. Erstaunlicherweise hat das Werk gut hundert Jahre gebraucht, bis es in der kirchenmusikalischen Praxis seinen Platz gefunden hat. Auch in Berlin war die Via Crucis lange Zeit nahezu unbekannt. Als wir vor 17 Jahren das Werk zum ersten Mal aufgeführt haben, ist es fast zeitgleich an zwei anderen Stellen erklungen. Seither fanden wir immer wieder Aufführungen in etlichen Kirchen.

Liszt rahmt die Betrachtung des Leidens und Sterbens ein durch den alten Hymnus „Vexilla regis“. Zu Beginn singen wir ihn als Gemeindegesang, er wird dann im vierstimmigen Chorgesang fortgesetzt. Insgesamt liegen der Komposition lateinische Texte zugrunde, nur an zwei Stellen erklingen im vierstimmigen Satz die deutschen Kirchenlieder „O Haupt voll Blut und Wunden“ und „O Traurigkeit, o Herzeleid“. Die anderen Gesangspartien sind meist solistisch. Sehr beziehungsreich für unsere Gemeinde wird dreimal das „Stabat Mater Dolorosa“ gesungen, immer als Antwort auf den vom Bariton expressiv vorgetragenen Hinweis: „Jesus cadit“ („Jesus fällt“). Die Worte Jesu und das furchtbare „Crucifige“ („Kreuzige ihn!“) sind ebenfalls dieser Solostimme anvertraut. Diese musikalisch anspruchsvolle Partie verlangt einen Sänger mit einer weiten stimmlichen Ausdruckspalette. Den größten Anteil an der abwechselnd meditativen, dann wieder expressiven Deutung der einzelnen Stationen hat der Orgelpart. Ohne Worte zwingt uns der Komponist allein durch die Gewalt der Musik in den Bann der religiösen Aussage. Wenn nach den letzten Worten des Chores, dem „Ave crux“, der Schluss in der Orgel mit einer leisen aufwärts führenden Bewegung verklingt, wird damit schon der Hinweis auf Ostern gegeben.

Unsere Aufführung soll kein neutrales Konzert sein, sie ist Gottesdienst, der uns im Innern bewegen kann.

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